Michael Schmidt, Geschäftsführer der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Serbien - Mehr Möglichkeiten für Export nach Deutschland als nach Russland
Es ist noch immer unbekannt, ob die Deutsche Bank einen Teil der Belgrader "Komercijalna banka" übernehmen oder in welchen Städten die deutsche Discounterkette Lidl Supermärkte eröffnen will. Es ist aber bekannt, dass der Warenverkehr zwischen Serbien und der Bundesrepublik Deutschland von Jahr zu Jahr zunimmt. Deutschland ist der größte Exportmarkt für Serbien, und Serbien der erstgrößte Partner Deutschlands unter CEFTA-Ländern. 2011 wurden sogar 12 neue deutsche Investitionen in Serbien realisiert. Wir haben in diesem Jahr bereits Mühlbauer in Stara Pazova und Falke in Leskovac bewillkommen, und erwarten jetzt die angekündigte Eröffnung eines Produktionsstandortes von ContiTech in Subotica sowie den Baubeginn für eine Produktionsstätte von Bosch in Pecinci, die 2013 in Betrieb zu nehmen ist.
Deutsche Unternehmen sind gut auf Serbien zu sprechen. Die in dem Balkanland tätigen Firmen aus Deutschland bewerten ihre Geschäftsaussichten für die nächste Zeit mehrheitlich positiv. Das geht aus der traditionellen Umfrage der Deutsch-Serbischen Wirtschaftsvereinigung inden Belgrad hervor. Rund 91% der Befragten erklärten, dass sie das Land erneut für ihr Engagement wählen würden. Im Vorjahr waren es noch rund 79%.
Über das Interesse deutscher Unternehmen für Investitionen in Serbien, Möglichkeiten für den Export nach Deutschland und notwendigen Maßnahmen der Regierung Serbiens zur Verbesserung des Geschäftsumfelds haben wir mit Michael Schmidt, Geschäftsführer der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Belgrad und Kooridnator der Deutsch-Serbischen Wirtschaftsvereinigung in Belgrad gesprochen.
eKapija: Serbische Exporte nach Deutschland haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Erwarten Sie im Jahr 2012 die Fortsetzung des Wachstumstrends?
- Die Bundesrepublik hat sich zum größten Außenhandelspartner und Exportmarkt Serbiens entwickelt. Das Resultat beruht auf der guten Entwicklung und Wirtschaftwachstum in Deutschland - 3,6% im Jahr 2010 und 2,3% 2011. Positive Entwicklung in einer großen Wirtschaft wirkt sich positiv auf die Umgebung aus. Das hat die deutschen Unternehmen zu neuen Investitionen im Ausland angeregt. So gute Exportergebnisse sind aber nicht nur einer immer lebhafterer Nachfrage aus Deutschland, sondern auch dem verbesserten Angebot in Serbien zu verdanken. Es gibt immer mehr exportorientierte Unternehmen.
Wir kämpfen dafür, eine Mrd. Euro an Exporten nach Deutschland zu erreichen. Das scheint zu viel, ist es aber nicht, im Vergleich zu anderen Ländern in Mittel- und Osteuropa. Ungarische Exporte erreichen z.B. 15 Mrd Euro.
eKapija: Ist die Erhöhung der Anzahl der in Serbien tätigen deutschen Unternehmen einer der Gründe für die Steigerung der serbischen Exporte nach Deutschland?
- Sie haben, natürlich, zum Export beigetragen. Fünf von zehn größten Exporteuren in Serbien sind deutsche Unternehmen mit sicheren Lieferaufträgen aus Deutschland. Aber, das gute Ergebnis ist auch anderen ausländischen Unternehmen in Serbien zu verdanken. Z.B. U.S.Steel war einer der größten Exporteure nach Deutschland.
Serbische Unternehmen sollten mehr exportieren. Es ist wichtig, dass sich ausländische Unternehmen mit der einheimischen Zulieferern verbinden um Importkosten zu senken. Es gibt viele ausländische Unternehmen in Serbien, die Komponenten ausschließlich im Ausland erwerben
eKapija: Es scheint, dass sich Deutschland auf neue Exportmärkte wie China, Russland, USA orientiert. Welche Märkte wären am besten für Serbien?
- Wir müssen die Situation mit dem Export und wirtschaftlichen Beziehungen realistisch betrachten.Deutschland ist der größte Exportmarkt für Serbien, Serbien belegt aber erst den 60. Platz unter deutschen Außenhandelspartnern - mit 0,1% der Gesamtimporte. Es gibt noch viele, bisher ungenutzte Potenzial für die Ausfuhr in die Bundesrepublik. Warum nach China oder in arabische Länder ausführen, wenn man Produkte in der Nachbarschaft absetzen kann, in Ländern mit dem höchsten Maß an Rechtssicherheit. Man kann nicht mit allen zusammenarbeiten, Serbien kann nicht in alle Länder ausführen. Serbische Hersteller sollten auch andere Erzeugnisse außer Lebensmitteln in der Region bieten. Serbien muss das beste in der Region sein, um in Konkurrenz mit größeren Spieler in der EU zu treten. Russland ist großer, komplexer Markt. Es ist oft schwer die Logistik dort zu kontrollieren und die Forderungen einzutreiben. Die Zusammenarbeit mit Deutschland bietet unterschiedliche Möglichkeiten, weil die deutsche Wirtschaft bzw. der EU-Markt viel diversifizierter ist und mehrere Möglichkeiten - insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen bietet.
eKapija: Betrachten Sie die Freihandelsabkommen mit Russland, Weißrussland und der Türkei als Vorteil? Ist Serbien deshalb ein attraktives Investitionsstandort geworden?
- Solche Abkommen sind attraktiv, aber schwerlich Hauptgrund für Investitionen. Russland schließt seinen Markt für Importe, um mehr Investitionen anzuziehen z.B. in die Automotive. Die Russische Föderation ist Mitglied der Welthandelsorganisation, arbeitet mit der EU zusammen und hat die Gebühren und finanzielle Belastung für Investoren erheblich reduziert. Der wichtigste Vorteil des erwähnten Abkommens: Serbien als Sprungbrett für zollfreie Exporte nach Russland zu nutzen, wird immer geringer. Nach dem EU-Beitritt gilt dieses Abkommen nicht mehr.
eKapija: Was sind Hauptgründe für deutsche Investitionen in Serbien? Preiswertere Arbeitskräfte in unserem Land werden am häufigsten als Hauptgrund dafür genannt.
- Alle Unternehmen, einschließlich deutsche, betrachten dabei nicht Netto-, sondern Bruttolöhne, die in Serbien nicht so niedrig sind, wie man oft denkt. Vor den Wahlen haben wir mit Vertretern der Regierung die Verringerung der Sozialabgaben und der Lohnsteuer besprochen. Durch Senkung der Lohnsteuer schaffen wir Raum für die Erhöhung von Nettolöhnen. Hohe Sozialabgaben belasten vor allem kleine Unternehmen sowie jene, die legal arbeiten. Der Staat sollte Steuern eintreiben, aber auch viel effizienter dabei sein. Anstatt Mindestlöhne durch Verordnung zu erhöhen, wie in der letzten Zeit, was zur erhöhten Unberechenbarkeit im Geschäftsumfeld führt, kann man sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie durch Senkung der Steuerbelastung bzw. Sozialabgaben schaffen.
eKapija: Ausländische Investoren erhalten oft Zuschüsse für jeden neuen Arbeitsplatz. Solche Maßnahmen sind sehr umstritten in der serbischen Öffentlichkeit. Was für Erfahrungen haben deutsche Unternehmer damit gemacht?
- Solche Maßnahmen sind positiv, wenn sie vorübergehend sind und nach der vereinbarten Dynamik realisiert werden. Es ist sinnlos, die wirtschaftliche Entwicklung auf der Subventionierung mancher Unternehmen oder Wirtschaftszweige zu gründen. Man muss vor allem das gesamte Geschäftsumfeld verbessern. Die Zukunft liegt in der Förderung der Innovationen und des Bildungswesens.
eKapija: Was erwarten sie vom Regierungswechsel: Kontinuität in der wirtschaftlichen Entwicklung oder Veränderungen?
- Wir brauchen mehr als Kontinuität. Wir benötigen mehr Initiative, langfristige Planung und Intensivierung der Reformen.
eKapija: Gibt es Ankündigungen für neue deutsche Investitionen in Serbien?
- Es gibt, natürlich. Immer gibt es Unternehmen, die sich um Investitionsbedingungen und das Geschäftsumfeld in Serbien erkundigen. Wir führen oft Marktanalysen für sie durch. Die Investitionsbereitschaft ist ein wenig reduziert, im Vergleich zur früheren Periode. Potenzielle Investoren warten auf den Ausgang der Krise in Griechenland und in der Eurozone. Viele wartn, natürlich, auf die Bildung der neuen Regierung. Aber viele Projekte sind gestartet worden.
eKapija: Der Einstieg der deutschen Discounterkette Lidl ist gewiss. Sie verhandeln bereits über den Erwerb von Baugrundstücken auf einigen Standorten in Serbien.
- Ja, sie haben diesen Markt und seine Bedingungen durchstudiert. Ich glaube nicht, dass sie sich zurückziehen werden. Wir sind im Kontakt mit ihnen. Ich glaube, dass Serbien ein guter Standort für ihre Investition ist.
eKapija: Wie kommentieren Sie die Spekulationen darüber, dass die Deutsche Bank die Belgrader "Komercijalna banka" übernehmen will?
- Mir ist bekannt, dass die IWF auf dem Verkauf dieser Bank besteht. Ich habe aber keine detailhaftere Informationen darüber. Die Banken sind sicher im Kontakt, aber ich weiß nicht, wie weit die angeblichen Verhandlungen vorangechritten sind. Offizielle Mitteilungen waren bisher sehr generell. Das verstärkte Interesse für den serbischen Markt könnte bedeuten, dass man einen neuen Kredit hier platzieren oder mit Eurobonds helfen will.
eKapija: Die Delegation der Deutschen Wirtschaft ist Vertreter der Messen München und Köln in Serbien. Ist es euch gelungen, diese Messen serbischen Unternehmen zu präsentieren?
- Wir vertreten die Messen München und Köln in der Region und versuchen dadurch, den Schritt mit den neuesten Technologien zu halten. Das Unternehmen "Stantech" hat im Mai seine Ausstattung für die Lebensmittelindustrie an der Messe in Köln ausgestellt und dabei fast hundert Kontakte angeknüpft. Man begreift oft nicht das enorme Potenzial der Messeveranstaltungen. Zwei Drittel der weltweit führenden Messen finden in der Bundesrepublik statt. Das bedeutet, dass man fast in der Nachbarschaft Kontakte mit Waren- und Dienstleistungsanbietern aus der ganzen Welt anknüpfen und Verträge abschließen kann. Serbische Unternehmen nehmen immer häufiger an den Messen in Deutschland teil und wir beraten sie gern dabei.
eKapija: Im April 2012 ist ein neuer Verwaltungsrat der Deutsch-Serbischen Wirtschaftsvereinigung gewählt worden. Was waren die ersten Schritten der neuen Geschäftsleitung?
- Wir treffen uns häufiger als früher und haben unsere Aufgaben verteilt. Wir versuchen, Geschäftsführr mit Mitgliedern nach Wirtschaftszweigen zu verbinden. Ich bin Geschäftsführer, Koordinator, gebe Ideen, aber das Resultat hängt auch von Sektordirektorn ab. Früher war alles auf den Geschäftsfrüher fokusiert, aber der Erfolg jedes Segments hängt derzeit auch vom Engagement seines Direktors ab. Wir werden versuchen, Probleme unserer Mitglieder zu lösen und noch effizienter um Serbien und serbisch-deutsche wirtschaftliche Beziehungen zu werben.
DEUTSCHE UNTERNEHMEN INVESTIEREN IN GEOTHERMIE IN SERBIEN
eKapija: Immer mehr Unternehmen zeigen Interesse für Investitionen in die erneuerbaren Energien in Serbien. Wie interessiert sind deutsche Investoren?
- Sehr. Wir bereiten ein Projekt im Rahmen des Programms zur Förderung der erneuerbaren Energien vor. Wir analysieren Potenziale der erneuerbaren Energiequellen in Serbien für deutsche Unternehmen. Ende September werden wir eine große Präsentation veranstalten, an der Unternehmen aus Serbien und Deutschland teilnehmen sollten. Es handelt sich um deutsche Unternehmen spezialisiert auf die Erdwärme, die nach entsprechenden Partnern in Serbien suchen. NIS ist sehr interessant in diesem Bereich, bzw. seine ungenutzte Bohrungen. Das natürliche Potenzial ist sehr groß, insbesondere in der Vojvodina und die Umstellung auf die Erdwärme als Energiequelle lohnt sich sehr schnell.
Suzana Obradović